München (dapd-bay). Rechtsextreme in Bayern wandern zunehmend von der NPD in noch radikalere Kameradschaften ab. Manchen Neonazis ist selbst die NPD nicht radikal genug“, sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts am Freitag in München. In allen Landesteilen, aber vor allem in Oberfranken gewinne die Kameradschaftsszene zunehmend an Bedeutung. Die Medienberichte über die NSU-Morde wirkten sich laut Herrmann in Bayern eher „ermunternd“ auf Neonazis aus.
Er wolle daher „gerade einzelne gefährliche Rechtsextremisten noch schärfer ins Visier nehmen“, kündigte der Minister an. Eine der „maßgeblichen Figuren“ der Szene ist ihm zufolge der Rechtsextreme Martin Wiese, der unter anderem wegen der Planung eines Bombenanschlags auf das Jüdische Zentrum in München verurteilt wurde. Man habe aber „mehrere markante Köpfe im Blick“.
Verfassungsschutzpräsident Burkhard Körner ergänzte, es gebe auch Bestrebungen, in Bayern eine neue, rechtsextreme Organisation zu gründen. Außerdem entstünden in der aktivistischen Kameradschaftssene zunehmend Konfliktsituationen zwischen Rechts- und Linksextremen.
Sorge wegen Autonomen
Die Zahl der rechtsextremistischen Gewalttaten bewegte sich laut Verfassungsschutzbericht im ersten Halbjahr 2012 mit 23 etwa auf dem Niveau der Vorjahre. Linksextremisten wurden 49 Mal gewalttätig. Damit zeichnet sich nach einem deutlichen Rückgang im Jahr 2011 wieder ein Aufwärtstrend ab. Der Wert pendelt sich wieder beim Durchschnitt der Jahre 2007 bis 2010 ein. Sorge bereitet Herrmann die Gewaltbereitschaft in autonomen Kreisen, die sich häufig auch gegen die Polizei richtet.
Eine besondere Gefahr geht nach Einschätzung des Ministers auch vom islamistischen Extremismus und Terrorismus aus. „Mit besonderer Sorge beobachten wir den Salafismus“, erläuterte er. Sie sei die am schnellsten wachsende islamistische Bewegung in Deutschland und zähle bundesweit inzwischen 3.800 Anhänger, davon 450 in Bayern. Die Salafisten träten immer offensiver auf und betrieben verstärkt Propaganda etwa in Fußgängerzonen.
Opposition will härteres Vorgehen gegen Rechte
Einen Zulauf verzeichnen nach Beobachtungen des Verfassungsschutzes überdies die Rockerclubs. Die Zahl ihrer Mitglieder stieg seit Jahresende 2011 von 1.200 auf inzwischen 1.500. Anders als in vielen Regionen Deutschlands kommt es im Freistaat aber nur zu vereinzelten Übergriffen zwischen rivalisierenden Clubs. Laut Körner häng dies unter anderem damit zusammen, dass sich viele Mitglieder der verschiedenen Banden kennen und daher „Hemmungen“ vor Gewalt gegeneinander haben. In Bayern seien die meisten Rocker zunächst in dem Club Gremium MC organisiert gewesen, dessen Mitglieder sich dann auch auf die rivalisierenden Zusammenschlüsse Hells Angels und Bandidos aufgeteilt hätten.
Die Landtags-Opposition hofft nun vor allem auf ein härteres Vorgehen gegen Rechtsextreme. Der Vorsitzende des Rechts- und Verfassungsausschusses, Franz Schindler (SPD), freute sich, „dass die Staatsregierung nicht mehr so blind auf dem rechten Auge zu sein scheint wie früher“. Die Grünen-Landtagsabgeordnete Susanna Tausendfreund warf Herrmann bei der Beobachtung der rechtsextremistischen Szene in der Vergangenheit „erhebliche Fehler“ vor. Der Minister hänge außerdem weiter der Einzeltätertheorie nach. Er müsse aber auch die Netzwerke im Blick haben.
18.08.2012 Ta
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