Erfurt (dv/dapd). Der frühere Präsident des Thüringer Verfassungsschutzes, Helmut Roewer, ist sich keiner Schuld am Entstehen der rechten Szene im Freistaat bewusst. Der Dienst war bei meinem Amtsantritt arbeitsunfähig“, sagte Roewer vor dem NSU-Untersuchungsausschuss des Erfurter Landtags. „Es war überhaupt nichts vorhanden.“ Niemand habe eine entsprechende Ausbildung gehabt, „außer ich“. „Einige Mitarbeiter wurden fortgebildet, einige gingen, die Dummen hielten sich im Amt“, sagte Roewer weiter. Auch die Aktenführung sei „nicht in Ordnung“ gewesen.
Der Ex-Behördenchef gab keinen Bericht über seine Tätigkeit als Geheimdienstchef ab und antwortete auf die Fragen der Gremiumsmitglieder kurz und knapp. Seine Aussagen waren mit Spannung erwartet worden. Er war von 1994 bis 2000 Behördenchef. In seiner Amtszeit tauchten 1998 die Mitglieder des späteren Terrortrios, Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, in den Untergrund ab.
Roewer war mit seinem Rechtsanwalt Uwe Zeigerer in den Ausschuss gekommen und gab an, nun als Schriftsteller in Weimar tätig zu sein. Er habe Mitte der 1990er Jahre den Geheimdienst im Freistaat nach Vorbild des Bundesamtes für Verfassungsschutz aufgebaut. „Es gab dann drei Bereiche“, sagte Roewer, „Rechtsextremismus, Linksextremismus und Ausländerextremismus“.
„Schwerarbeit“ gegen Rechts
Der Schwerpunkt der Arbeit des Dienstes habe auf dem Bereich Rechtsextremismus gelegen. „Rechtsextreme Gewalt gab es jedoch schon, bevor ich nach Thüringen kam.“ Vor allem die Gedenkmärsche „Rudolf Heß“ seien dem Verfassungsschutz eine Herausforderung gewesen.
Den in den vergangenen Wochen von Polizisten immer wieder vorgebrachten Vorwurf, dass Informationen nur einseitig von der Polizei zum Geheimdienst geflossen seien, wies Roewer zurück. „Ich kann nicht bestätigen, dass der Verfassungsschutz keine Informationen an das Landeskriminalamt gegeben hat.“ Beide Seiten hätten sich ausgetauscht.
Auch die Weitergabe von geheimen Informationen an V-Leute durch den Verfassungsschutz schloss Roewer aus. „Ich kann nicht einmal die genaue Anzahl an V-Leuten sagen.“
„Kann ich nicht sagen. Ich war betrunken“
Beobachter und Gremiumsmitglieder erlebten einen selbstgerechten Zeugen mit bemerkenswerten Erinnerungslücken. Als er zum Beispiel über seine Ernennung erzählen soll, fällt ihm nicht sehr viel ein. Auf seiner Abschiedsfeier vom Innenministerium habe ihm jemand kurz vor Mitternacht eine Urkunde in einem gelben Behördenumschlag zugesteckt. Wer das gewesen sei. „Kann ich nicht sagen, es war dunkel.“ Als ein Gremiumsmitglied nachhakt, wird der schmächtige Mann ungehalten. „Ich sage Ihnen, wie es war. Ob das normal ist, kann ich nicht sagen.“
Und dann setzt er noch eins drauf: „Wenn Sie es genau wissen wollen: Ich war betrunken! Aber ich habe diese Urkunde bekommen, ich hatte sie am nächsten Morgen in der Hand.“
10.07.2012 dv
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