Hamburg/Berlin/Oberhambachtal (dv). Zu viel Nähe, zu viel Macht“ titelt der aktuelle Spiegel eine Story über die Situation in der Odenwaldschule. Die ist vor zwei Jahren wegen Missbrauchs von mehr als hundert Zöglingen monatelang mit entsprechenden Schlagzeilen in die Mangel genommen worden.
Danach erklärte die Schulleitung, man werde alles rückhaltlos aufklären und Konsequenzen ziehen. Jetzt greift der „Spiegel“ die Stimmung in der Region, bei Eltern und in beträchtlichen Kreisen der Politik auf. Da steht unter anderem zu lesen: „Nur zögerlich stellt sich die Odenwaldschule ihrer Vergangenheit – in einem Bericht für den Hessischen Landtag erhebt ein Abgeordneter schwere Vorwürfe.“
Des Weiteren wird die Schulleiterin Katrin Höhmann zitiert, die in einer internen Aktennotiz „die mangelnden Aktivitäen in Sachen Aufklärung der Missbrauchsfälle und die immer deutlicher werdenden Nachlässigkeiten im Umgang mit den Betroffenen“ anprangere.
Der im Hambuger Nachrichtenmagazin angeführte hessische Abgeordnete ist der Grüne Marcus Bocklet. Seine in diversen Zeitungsinterviews publizierten Erkenntnisse sind es wert, an dieser Stelle ausführlich gewürdigt zu werden:
„Versprechen gebrochen“
„Die Odenwaldschule hat damals gesagt, sie werde eine rückhaltlose Aufklärung in Auftrag geben und alles dafür tun, dass die Umstände der Taten schnell aufgeklärt werden. Nach zwei Jahren muss ich feststellen, dass die Schule die wissenschaftliche Aufklärung noch immer nicht in Auftrag gegeben hat. Das ist der Bruch eines Versprechens.
Die Schulleitung hat gesagt: Wir wollen eine unkomplizierte Lösung der Entschädigung für die Opfer. Jetzt stelle ich fest: Sowohl die Höhe der Entschädigung von 1000 Euro ist ein Hohn als auch die Verfahren, die zutiefst langwierig, im Ton herablassend und entwürdigend sind. Es bedarf eines neuen Opferentschädigungsverfahrens. Auch die Rahmenbedingungen in der Schule müssen sich verändern.“
Schlussendlich die Forderung des Grünen-Abgeordneten Bocklet:
„Alle in der Politik haben eine Kultur des Hinschauens versprochen. Dazu gehört auch eine Kultur des ehrlichen Aufarbeitens und das Ziehen von deutlichen Konsequenzen. Ein hohes Engagement der jetzigen Landesregierung sehe ich nicht. Jetzt wird ein Aktionsplan gegen sexuelle Gewalt angekündigt. Auch das hat zwei Jahre gebraucht, dabei ist er noch immer nicht in Kraft. Wir brauchen eine Opferberatungsstruktur. Und wir brauchen eine durchgehende Fortbildung von Richtern, Sozialarbeitern oder Lehrern – allen, die beruflich mit Kindern und Jugendlichen zu tun haben.“
29.05.2012 dv
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