Zwickau/Eger (dapd-bay). Kaputte Zähne, eingefallenes Gesicht, heruntergekommenes Aussehen – ein erschreckendes Bild. Aber daran erkennen Drogenfahnder den typischen Speed-Konsumenten. Aus Tschechien wird das lupenreine und extrem gefährliche Rauschgift kiloweise eingeschmuggelt. Verkauft wird es in den Bretterbuden-Märkten entlang der deutsch-tschechischen Grenze – wie im Supermarkt.
Crystal Speed“ gilt als eine der gefährlichsten Drogen der Welt und ist extrem einfach zu bekommen. Geraucht oder geschnupft putscht das hoch potente Amphetamin zu Höchstleistungen auf und führt binnen kürzester Zeit zur Abhängigkeit.
Um an die Droge zu kommen, fahren immer mehr und immer jüngere Deutsche nach Tschechien, wo Crystal legal ist. Allein im ersten Halbjahr 2011 stellte der bayerische Zoll zwischen Eger und Cham rund drei Kilogramm Crystal sicher, was einem Anstieg um 350 Prozent im Vergleich zum vergangenen Jahr entspricht.
Zielgruppe: 18- bis 30-Jährige
Das Schema, mit dem die Zöllner potenzielle Crystal-Konsumenten aus dem Strom der Grenztouristen aus Richtung Cheb filtern, ist einfach: Männer im Alter von 18 bis 30 Jahren aus den grenznahen Regionen in Bayern, Sachsen und Thüringen fallen als Erste ins Raster, sagt Cheffahnder Jürgen Thiel vom Zollfahndungsamt München. „Meist sind es junge Leute aus den grenznahen Regionen, die sich selbst und ihre Clique mit dem Stoff versorgen.“
Im Schnitt sieben Gramm stellen die Fahnder sicher, einen Volltreffer erkennen Thiel und seine Kollegen meist bei einem Blick in die Gesichter der Autoinsassen. „Langjährigen Konsumenten sieht man die Droge sofort an. Kaputte Zähne und völlig heruntergekommenes Aussehen sind typische Merkmale“, sagt Thiel.
Ausgangspunkt der Drogenschwemme sind die Märkte entlang der deutsch-tschechischen Grenze. Jene Bretterburgen, die mit Gartenzwergen, Vogelhäuschen und anderem Billigramsch auf deutsche Schnäppchentouristen warten, sind aus Sicht der Fahnder der Umschlagplatz Nummer eins. „Das funktioniert wie im Discounter. Neben Zigaretten und Kaffee kauft man dort noch ein bisschen Crystalspeed“, sagt Thiel. Potenzielle Kunden werden offen angesprochen, Unentschlossene sogar mit einem Gratispäckchen gelockt.
Statt Zigaretten jetzt Crystal
Hinter dem Drogenhandel stecken aus Sicht der Fahnder vor allem Vietnamesen. „Seit das Geschäft mit Zigaretten und gefälschten Klamotten nicht mehr so läuft, haben sich viele von denen auf Crystal spezialisiert“, sagt Thiel.
Diese Einschätzung teilen auch die sächsischen Strafverfolger, die ebenfalls eine Übernahme des Marktes durch die geschäftstüchtigen Asiaten beobachtet haben. „Bis vor wenigen Jahren hatten wir es mit türkischen Banden zu tun, die ziemlich schlechten Stoff nach Deutschland schmuggelten. Seit zwei Jahren kontrollieren die Vietnamesen den Markt“, sagt Staatsanwältin Antje Dietsch, die in Westsachsen für die Verfolgung von Drogendelikten zuständig ist.
Extrem rein
Besonders alarmierend sei für sie die neue Qualität der Drogen, die von Vietnamesen in ihren Laboren im tschechischen Hinterland hergestellt werden. „Dieses neue Crystal ist extrem rein und hat einen Wirkstoffgehalt von bis zu 80 Prozent. Das ist gefährlicher als alles, was wir bislang kannten“, sagt Dietsch. Er verweist auf Extremfälle, in denen aufgegriffene Jugendliche bei ihrer Verhaftung bis zu elf Tage ohne Schlaf gewesen waren.
Die leichte Verfügbarkeit und die extrem starke Wirkung scheinen der Droge mittlerweile auch den Weg in die Ballungszentren zu ebnen, wie die sich häufenden Aufgriffe von Schmugglern aus Nürnberg und München zeigen. „Für uns ist das ein eindeutiges Indiz, dass sich die Droge längst wie ein Krebsgeschwür in die Großstädte frisst“, sagt Thiel.
14.12.2011 wel
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