Berlin/Passau (dv/dapd). Das von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) eingeweihte Nationale Cyber-Abwehrzentrum (NCAZ) verstößt nach Meinung des Computer-Sicherheitsexperten Rüdiger Weis gegen das Grundgesetz. «Ich habe den Eindruck, dass man versucht hat, mit möglichst wenigen Leuten, möglichst große verfassungsrechtliche Probleme heraufzubeschwören», sagt der Professor für Systemprogrammierung an der Beuth Hochschule für Technik in Berlin.
Die Vermischung der an dem Projekt beteiligten Behörden sei «sehr bedenklich». Die neue Einrichtung hat zunächst sechs Mitarbeiter aus dem Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) und jeweils zwei aus dem Verfassungsschutz und dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe. Künftig sollen auch Bundespolizei, Bundeskriminalamt, Bundesnachrichtendienst, Bundeswehr und Zollkriminalamt mit Experten im Abwehrzentrum vertreten sein.
Ein verfassungswidriger Schnellschuss“
Es gebe aber ein klares Gebot, Polizei und Geheimdienste strikt zu trennen, sagt Weis. Die Gründung des NCAZ sei ohnehin ein «Schnellschuss» gewesen. «Die Größe von zehn Leuten ist sehr niedrig dimensioniert. Das ist ein surrealer Versuch, die Sicherheit im Netz zu erhöhen.» Auch zehn Personen mit der höchsten Qualifikation könnten bei relevanten Angriffen wenig ausrichten.
Handlungsbedarf besteht laut Weis aber durchaus. Die Bundesrepublik habe die Cyber-Sicherheit lange vernachlässigt. «Nach zu wenig Berücksichtigung in der Vergangenheit scheint das neue Cyber-Abwehrzentrum nun aber purer Aktionismus zu sein.»
„Personell völlig unzulänglich ausgestattet“
Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Bernhard Witthaut, hat das neue Cyber-Abwehrzentrum als einen ersten Schritt in die richtige Richtung bezeichnet, dem weitere folgen müssten. «Das Abwehrzentrum ist ein erster wichtiger Schritt. Es ist mit den wenigen Mitarbeitern allerdings personell völlig unzureichend ausgestattet», bemängelt er in der «Passauer Neuen Presse». Das Personal müsse deutlich aufgestockt werden, sagt Witthaut und fordert eine bessere Vernetzung der einzelnen Behörden. «Es müsste eine ähnliche Behörde zur Bekämpfung von Internet-Kriminalität aufgebaut werden wie das gemeinsame Terrorismus-Abwehrzentrum.»
Nach Ansicht von Witthaut hat es sehr lange gedauert, bis die Politik die Dimension des Problems erkannt habe. «Es wurde viel zu spät gehandelt. Schließlich geht es hier um wirtschaftliche Schäden in Milliardenhöhe», mahnt Witthaut und kritisiert, dass «die Polizei im Kampf gegen Internet-Kriminalität nach wie vor personell und technisch schlecht ausgestattet ist. Wir verfolgen hier einen Ferrari mit einem Fiat.»
18.06.2011 dv
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