Berlin (dapd). Wird in Berlin zu wenig gegen die Jugendgewalt unternommen? Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) wies die Vorwürfe zurück. Die Polizei habe die volle Rückendeckung des Senats für ihr «konsequentes, aber auch besonnenes Vorgehen» gegen Gewalttaten. Sie verdiene Lob dafür, dass es im Fall des brutalen Raubüberfalls von Lichtenberg schnelle Festnahmen gab. «Wir schulden ihr Dank und nicht pauschale, besserwisserisch klingende Kritik», sagte Wowereit. Polizeipräsident Dieter Glietsch nannte die Vorwürfe «abenteuerlich».
Bei dem Raubüberfall auf zwei 30-Jährige am U-Bahnhof Lichtenberg am 11. Februar war ein Mann lebensgefährlich verletzt worden. Die Polizei ging vier Tage später mit einer Fahndung an die Öffentlichkeit, nachdem sich der Zustand des Opfers infolge einer Hirnblutung massiv verschlechtert hatte. Ermittler nahmen noch am selben Tag vier Jugendliche im Alter zwischen 14 und 17 Jahren unter dringendem Tatverdacht fest.
Pfeiffer: Herunterspielen nicht akzeptabel
Der Kriminologe Christian Pfeifer zeigte sich verwundert darüber, dass die Polizei den brutalen Überfall auf dem U-Bahnhof Lichtenberg erst Tage später öffentlich gemacht habe. Mit Blick auf die Brutalität des Überfalls sagte der Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen: «So etwas wäre, wenn es in irgendeiner anderen Großstadt passiert wäre, bis in die ‚Tagesschau‘ gekommen. Die Polizei sage, das sei alltäglich, »da müssten wir viel melden«. Der Kriminologe fügte hinzu: »Dieses Herunterspielen ist für mich nicht akzeptabel.«
Wowereit erwiderte, es werde nichts heruntergespielt. Berlin tue alles, um erfolgreiche Präventionsarbeit zu leisten, die Aufklärungsmöglichkeiten etwa durch Videotechnik auf den Bahnsteigen zu verbessern, aber nach Straftaten auch schnell zu reagieren.
Glietsch sagte zum Vorwurf der Verharmlosung, er weise seit 2002 regelmäßig darauf hin, dass Berlin bei Jugendgewaltdelikten einen Spitzenplatz in der polizeilichen Kriminalstatistik einnehme. Auch die Aussage, die Aufklärungsquote sei in Berlin besonders niedrig, sei falsch. Im Vergleich mit anderen Großstädten liege die Aufklärungsquote lediglich um vier Prozentpunkte unter der von Hamburg oder Bremen.
Körting: Jugendgewalt zurückgegangen
Nach den Worten von Innensenator Ehrhart Körting (SPD) ist das Problem der Jugendgewalt »eines der vordringlichen, denen wir uns angenommen haben«. Jugendgewalt sei zurückgegangen in der Stadt. Das helfe dem einzelnen Opfer nicht, »aber es ist nicht korrekt, wenn Herr Pfeiffer sagt, wir täten nichts dagegen«.
28.02.2011 dv