Hilflos ausgeliefert

Babys und Kleinkinder als Opfer überforderter Eltern: Eine Chronik des Grauens

Berlin (dapd). Trotz Aufsicht und Betreuung durch die Jugendämter werden immer wieder kleine Kinder Opfer von gewalttätigen Familienangehörigen oder sogar von Pflegeeltern. In den vergangenen Jahren haben eine ganze Reihe von Verbrechen an Kindern, die unter Jugendamtsaufsicht standen, Schlagzeilen gemacht:

Kevin
Die Amtsvormundschaft der Bremer Jugendbehörde schützte den zweijährigen Kevin nicht vor schwersten Misshandlungen durch den drogensüchtigen Ziehvater, obwohl sie aus dessen Umfeld Hinweise darauf bekommen hatte. Ein besorgter Kinderheimleiter hatte sogar Bürgermeister Jens Böhrnsen gebeten, den Befürchtungen nachzugehen. Doch erst zehn Monate später ließ das Jugendamt den Jungen suchen – zu spät. Polizeibeamte fanden am 10. Oktober 2006 bei der Wohnungsdurchsuchung die im Kühlschrank versteckte, bereits verweste Leiche des Kindes.Ein Untersuchungsausschuss der Bürgerschaft stellt eine Mitschuld der Behörden an Kevins Tod fest. Der Ziehvater wurde 2008 zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt. Im August 2010 stellt das Landgericht das Strafverfahren gegen den ehemaligen Amtsvormund Kevins gegen eine Geldauflage von 5.000 Euro ein. Das Verfahren gegen den Fallmanager im Jugendamt wurde wegen dessen Erkrankung eingestellt.

Lea-Sophie
Die auf 7,4 Kilogramm abgemagerte fünfjährige Lea-Sophie rang am 20. November 2007 in Schwerin mit dem Tod. Der Vater alarmierte den Notarzt, doch das Mädchen starb Stunden später in der Klinik. Der Sozialdezernent der Stadt sagte, ihm sei «keine Abweichung seiner Mitarbeiter vom vorgeschriebenen Verfahren ersichtlich». Doch die Großeltern berichteten, sie hätten das Jugendamt mehrmals gebeten, sich um Lea-Sophie zu kümmern, weil sie selbst das Kind nicht besuchen dürften. Der von der Stadtvertretung eingesetzte Sonderausschuss kommt zum Schluss, dass Lea-Sophie noch leben könnte, wenn das Jugendamt sachgerecht gearbeitet hätte.

Lea-Marie
Eine Mutter aus Teterow (Mecklenburg-Vorpommern) misshandelte drei Jahre lang ihre Tochter Lea-Marie. Das Landgericht Rostock verurteilte sie 2007 zu neun Jahren Haft. Demnach hatte sie dem Kleinkind in mindestens 30 Fällen Kalkreiniger und Essigessenz eingeflößt und sie mehrmals mit heißem Wasser verbrüht. Das Amtsgericht Güstrow verwarnte eine ehemalige Jugendamtsmitarbeiterin wegen fahrlässiger Körperverletzung durch Unterlassen. Diese hatte 2003 die Nachricht einer besorgten Ärztin über schwere Verletzungen des Kindes nicht korrekt an die zuständige Kollegin weitergeleitet. Das Gericht verurteilte sie zur Zahlung von 2.000 Euro an das Opfer und kritisierte auch die Hausärztin, die sich nicht um amtliche Hilfe für Lea-Marie gekümmert hatte.

André
Am 22. Juni 2007 starb der drei Monate alte André in Iserlohn an Unterernährung. Die Staatsanwaltschaft ermittelte gegen die 26-jährige Mutter und ihren Lebensgefährten, aber auch gegen das Jugendamt Iserlohn. Dessen Leiter bedauerte: «André ist gestorben, obwohl wir umfassend und fachgerecht für ihn und seine Geschwister im Einsatz waren.» Das Jugendamt sei keineswegs «untätig, faul, desinteressiert oder unfähig» gewesen. Anfang Juni sei die Wohnung noch komplett zugemüllt, nach Kontrollbesuchen des Jugendamtes sei der Zustand dann wieder vertretbar gewesen.

12.02.2011 dv