Berlin (dv). Das Schlimme ist, dass sich die Spur des Geldes bei Verbrechen mittels Computer so schnell verwischt“, sagt Jörg Ziercke. Er ist Chef des Bundeskriminalamts, ein glasklarer Analyst – und er fühlt sich wohl manchmal ungewollt hilflos.
Computerbetrug: „Drastisch gestiegen“, sagt Ziercke und präsentiert die Zahlen. Mit fast 23.000 Fällen verzeichneten die Ermittler in diesem Bereich im Vergleich zum Vorjahr einen Anstieg um 35 Prozent. Allein über 2.900 Phishing-Fälle wurden dem BKA gemeldet – etwa 64 Prozent mehr im Vergleich zu 2008 (rund 1.780 Fälle). Dabei greifen die Täter beim sogenannten Online-Banking die Zugangsdaten ab. Auf diese Weise können sie Gelder entsprechend umleiten.
«Bankraub des 21. Jahrhunderts»
«Für mich ist Phishing der Bankraub des 21. Jahrhunderts,» sagt Ziercke. Die durchschnittliche Schadenssumme pro Fall betrug laut BKA etwa 4.000 Euro. Nach der Einführung der iTan-Verfahren beim Online-Bankgeschäft habe es nur zwischenzeitlich einen Rückgang dieser Fälle gegeben – bis sich die Täter augenscheinlich auf die verbesserten Sicherheitsmechanismen eingestellt hätten.
Auch Daten über die gesamte digitale Identität würden mittlerweile von Betrügern abgegriffen. Dazu gehörten Zugangsdaten zu sozialen Internet-Netzwerken («Social Media»), E-Mail- Konten, Aktiendepots, Internet-Geschäften oder Firmennetzwerken, die illegal zum Kauf in speziellen Foren der sogenannten «Underground Economy» angeboten werden, erläuterte der BKA-Chef. Insgesamt 6.800 Fälle wurden 2009 registriert.
Kooperation mit Hackern und Viren-Autoren
Bei den «weltweit einigen tausend Tätern» handelt es sich dem BKA-Chef zufolge häufig um kriminelle Netzwerke und Organisationen. Diese arbeiteten «hochprofessionell mit Hackern und Viren-Autoren über Staatengrenzen hinweg zusammen». Die Erscheinungsformen der Informations- und Kommunikationskriminalität seien durch eine «besondere Dynamik gekennzeichnet, da sich die Täter veränderten technischen Gegebenheiten sehr schnell anpassen und enorme Innovationsfähigkeiten zeigen».
Angesichts dieser Ausmaße der Internet-Kriminalität fordert Ziercke, die rechtliche Situation, etwa die Möglichkeit von Online-Durchschungen, zu klären und keine Sicherheitslücken zuzulassen. «Damit die staatlichen Behörden nicht zu sehr den hochspezialisierten Tätern hinterher hinken,» so Ziercke.
13.052010 dv
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