Alles entglitt ihm: Frau und Sohn getötet

Lebenslang für 68-Jährigen, der Jahrzehnte die Familie drangsaliert hatte

Frankfurt/Main (dapd). Der Tat sei eine «bedrückende Familiengeschichte» vorausgegangen, sagt Richterin Bärbel Stock und berichtet, dass der Mann eigentlich eine deutsche Frau heiraten wollte, auf Drängen eines Onkels jedoch eine junge Marokkanerin zur Ehefrau nahm. Die Braut sei damals 14 Jahre alt gewesen und ihrem Gatten erst später – nach der Geburt der Kinder – nach Frankfurt gefolgt. Deutsch sprach sie kaum.

Auf der Arbeitsstelle habe der Mann den «Vorzeigeausländer» abgegeben, sei sehr fleißig und gewissenhaft gewesen. Anders sah es nach Feierabend aus: «Alle lebten in Angst vor ihm», sagt die Richterin. Er habe drakonische Strafen verhängt, mit dem Gürtel zugeschlagen, auch mal mit dem Stock.

Niemand begehrte auf
Seine Frau durfte nicht allein das Haus verlassen oder mit ihrer Familie in Marokko telefonieren. Selbst zum Arzt hatte der Mann sie begleitet. Liebe und Zärtlichkeit seien für den 68-Jährigen Fremdwörter gewesen, sagt die Richterin. Es sei erstaunlich, dass nie jemand in der Familie dagegen aufbegehrt habe. Selbst als die vier Kinder erwachsen waren, ließen sie alles über sich ergehen. Als der Mann an Kehlkopfkrebs erkrankte, hätten sich alle um ihn gekümmert. «Alle standen zu ihm», berichtet die Richterin.

Doch als es ihm besser ging, verfiel der Mann in alte Verhaltensmuster. Nach einem Familienstreit wollte er seiner Frau den Kontakt zu den Kindern und Enkeln verbieten. Dazu war sie nicht bereit. Die Ehefrau fasste Mut und zog zur Familie ihres ältesten Sohnes, der Mann behielt ihren Reisepass. Mit dem Auszug der Frau und einem Schreiben ihrer Anwältin sei dem Mann klar geworden, dass es diesmal kein Zurück gab. «Seine Welt brach zusammen»,  sagt die Richterin. Er sei dabei gewesen, sein Gesicht vor der Außenwelt zu verlieren. Der krebskranke Mann habe Ohnmacht verspürt, alles in der Familie sei ihm entglitten.

Taten mit Heimtücke begangen
Aus einem Gefühl der Wut und tiefen Verzweiflung, aber auch der Rache und dem Bedürfnis nach einer letzten Machtdemonstration heraus habe er am 24. November 2009 seinen 38-jährigen Sohn getötet, den er für seine miserable Lage mit verantwortlich machte. Dann ging er in dessen Wohnung und schoss auch seiner Frau in den Kopf. Anschließend alarmierte der Täter selbst die Polizei.

29.12.2010 dv