1. Mai, 6.30 Uhr, Kreuzberg.
Es ist leicht bewölkt, 13 Grad. Zwei Männer sitzen vorm Alptraum“ beim Bier und lächeln dem Kurzbehosten hinterher, der durch den Victoriapark hetzt. In der Bergmannstraße ersetzt der Betreiber eines indischen Lokals die Bestuhlung. In der Hasenheide tut die Morgenschicht der Dealer in den Büschen ihren Job – ist nicht viel los um diese Zeit. Arbeiter am Landwehrkanal erörtern beim Morgenkaffee die Misere der Hertha: Dass die Jungs absteigen, ist ja nun wohl klar, aber die Art, wie das passiert, geht einem schon gehörig auf den Senkel. „Nur Memmen“, sagt einer.
In der Oranienstraße baut man für ein Fest auf. Ansonsten das übliche Personal eines frühen Feiertagmorgens: Frauen und Männer, die sich am Bier festhalten und auf nichts Besseres warten.
Raus aus dem Kiez, rüber nach Unter den Linden. Die ersten Touristen sind schon da, haben sich für einen sommerlichen Tag gerüstet: knappe Röcke, kurze Hosen, T-Shirts, Kameras geschultert, Handy am Ohr. Hinterm Brandenburger Tor ist mal wieder gesperrt. Kennt man ja: Partytime auf der Straße des 17. Juni.
Einmal über die Spree zum Hauptbahnhof. Viel Polizei, viele laute Menschen wie vor einem Fußballspiel. Und viele, die den Tag nutzen, um mal raus zu kommen aus der Stadt. Mit dem Rad, zum Wandern, zum Skaten, nur mal raus. Muss auch mal sein in Berlin.
Jetzt geht es zum Nollendorfplatz, wo der Mundharmonikaspieler schon seine schrägen Töne fabriziert. Durch die Motzstraße über den leeren Winterfeldtplatz – vor der Kirche stehen drei ältere Damen und reden über eine Vierte, die gerade nicht da ist. In der Bäckerei in der Goltzstraße steht eine Neue hinterm Tresen. Sie spricht schlecht Deutsch und ist ausgesucht freundlich. Aus Lettland kommt sie, bald holt sie ihren Sechsjährigen nach. Sie freut sich, sagt sie. Alles so sauber in der Stadt. Und die Arbeit wird gut gezahlt.
Es ist jetzt neun Uhr morgens. Die Sonne lugt zwischen den Wolken durch. Sehr gut.
Berlin an so einem Morgen: Das ist immer wieder ein Erlebnis. Noch ist die Stadt ruhig und beinahe unschuldig. Bereit für einen guten Tag. Berlin an diesem Morgen: Allet wie jehabt.
Zehn Uhr vormittags. Im Radio sagen sie, in Hamburg habe es gestern Randale gegeben. 14 Verletzte, mindestens. Eine Stunde später schreibt ein aufgeregter Mensch im Internet, gerade seien in Friedrichshain die ersten Flaschen geflogen.
01.05.2010 dv
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