Auf und davon! – Ausreißer-Storys

Ein bisschen Aufmerksamkeit …
Maria und Luigi Faciente* leben seit 15 Jahren in einer Kleinstadt im Schwäbischen. Ihre Pizzeria ist weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt und beliebt. Das Wirtsehepaar tut alles, damit das auch so bleibt und die Kasse stimmt. Tochter Terensita haben sie zur Selbstständigkeit erzogen. Natürlich hat der Papa – wie er glaubhaft versichert – immer ein Auge auf die inzwischen 16-jährige Schülerin. Doch er kann nicht verhindern, dass Terensita immer wieder spurlos verschwindet. Seit einem Jahr geht das so. Die verzweifelten Eltern schalten jedes Mal die Polizei ein. Und die findet den Teenager recht schnell – bei Bekannten. Dabei macht Terensita keine Anstalten, ihre Spuren zu verwischen. Im Gegenteil: Sie ist sogar froh, wenn die Beamten vor der Tür stehen. Und wenn die Eltern sie nach mehreren Tagen bangen Wartens erleichtert in die Arme schließen, ist sie das glücklichste Mädchen. Ein bisschen Aufmerksamkeit – das ist es, was ihr fehlt. Eine Mutter, die sie und ihre pubertären Sorgen versteht, mit ihr redet, sie in den Arm nimmt …

Heirat wider Willen
Arzu* ist weg! Wie ein Lauffeuer verbreitet sich die Nachricht in dem Bochumer Stadtviertel, das vorwiegend von türkischen Mitbürgern bewohnt wird. Arzu ist 15, Schülerin, in Deutschland geboren. Ihre Eltern stammen aus Anatolien, sind der traditionellen türkischen Kultur verhaftet. In den Sommerferien immer das Gleiche: Das Auto vollgepackt und ab in die Türkei zu den Verwandten! Im Sommer 2001 soll es nicht so weit kommen. Arzu ist verschwunden – wenige Tage vor Ferienbeginn! Das ganze Viertel ist in Aufruhr. Alle helfen den verzweifelten Eltern bei der Suche. Ohne Erfolg. Die Polizei mutmaßt zunächst: Zeugnisangst. Doch weit gefehlt. Arzu ist eine gute Schülerin, wie die Ermittlungen in der Schule ergeben.

Nach und nach rücken die Eltern mit einem anderen möglichen Motiv für das Verschwinden heraus. Der Vater hatte ihr feierlich eröffnet: In diesen Ferien wird Arzu ihren künftigen Mann kennen lernen. Arzu war geschockt, wagte aber nicht zu widersprechen. Am nächsten Tag kam sie statt dessen nicht mehr nach Hause. Die Polizei startet eine Öffentlichkeitsfahndung, die auch Erfolg hat. Arzu wird in den folgenden Wochen mehrfach gesehen. Sie hält sich nach wie vor im Ruhrgebiet auf. Doch erst im August – die Ferien sind längst vorbei – wird sie in der Nähe von Bochum von einer Polizeistreife entdeckt und zu ihren Eltern zurück gebracht.

Abwarten und Tee trinken!
Mandy* hält es zu Hause nicht mehr aus. Erst war die Ehe ihrer Eltern in die Brüche gegangen. Dann hatte ihre Mutter beschlossen, von Thüringen in den äußersten Westen der Republik umzuziehen – wegen des Jobs. Die 17-jährige Gymnasiastin musste ihren Freunden Ade sagen und sich neue Bekannte suchen. Dazu die ewige Gängelei: Tu dies, tu das … aber doch nicht so …! Die Mutter lädt ihren eigenen Frust auf ihrer Tochter ab. Mandy war schon lange klar, was sie machen würde, wenn sie 18 wird: Nix wie raus hier! Aber bis dahin sind es noch drei Monate.

Mandy hat das Gefühl, diesen „langen qualvollen Weg“ in die Volljährigkeit irgendwie abkürzen zu müssen. Sie packt das Nötigste zusammen und haut ab. Als die Mutter abends heimkommt, liegt ein Zettel auf dem Tisch: „Ich halt´s nicht mehr aus. Such nicht nach mir …“ Die besorgte Mutter schaltet dennoch die Polizei ein. Nach wenigen Tagen findet sich eine Spur von Mandy: Die Schülerin ist nach England gereist und dort untergetaucht. Nun dauert es Wochen, bis alle Formalitäten erledigt sind, damit die britischen Behörden den Fall übernehmen können. Mandy ist gerade 18 geworden, als sie in London aufgespürt wird. Der Fall wird ad acta gelegt. Als Erwachsene nimmt sie nun Kontakt mit ihrer Mutter auf. Es gelingt beiden, miteinander zu reden. Mandy wird wieder zur Schule gehen, sich aber ein eigenes Zimmer nehmen. Die Mutter-Tochter-Beziehung lässt sich so wieder kitten.

(*Namen geändert)

Alexanderplatz

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