Wallenfels (dpa). Nach dem Fund von acht Babyleichen in einem Haus in Oberfranken ermittelt die Polizei die Hintergründe. Die Mutter der Kinder habe eingeräumt, einige Säuglinge lebend geboren und dann getötet zu haben, sagte eine Polizeisprecherin heute. Deshalb sei gegen sie Haftbefehl ergangen. Sie wurde gestern Abend in Kronach festgenommen, etwa 15 Kilometer vom Fundort der Leichen in Wallenfels entfernt. Nach zunächst unbestätigten Medienberichten soll sich die 45-Jährige vor einigen Wochen von ihrem Mann getrennt haben. Sie hatte bis vor kurzem in dem Anwesen in Wallenfels gewohnt.
Eine Nachbarin wählte am Donnerstag den Notruf, nachdem sie in der Wohnung die sterblichen Überreste eines Säuglings gefunden hatte. Daraufhin entdeckte die Polizei dort sieben weitere Babyleichen. Erlanger Rechtsmediziner versuchen zu klären, wann und wie die Babys zu Tode kamen.
Schwangerschaften verdrängt?
Die Kriminalpsychologin Monika Frommel vermutet einen Fall verleugneter Schwangerschaften. «Das ist ein Symptom, das es gibt, seit es Frauen gibt», erklärt die ehemalige Direktorin des Instituts für Sanktionenrecht und Kriminologie an der Universität Kiel. Psychiatrisch gestörte Frauen, die ihre Schwangerschaft nicht wahrhaben wollten, gebe es in allen Schichten der Gesellschaft.
«Das Interessante ist, dass die Schwangeren selber darauf hereinfallen», sagt Monika Frommel. «Es ist medizinisch erwiesen, dass der Leibesumfang bei verleugneten Schwangerschaften deutlich kleiner ist.» Diese Frauen reagierten geradezu erschrocken, wenn die Wehen einsetzten und die Geburt beginne.
Die Zahl solcher Fälle habe in den vergangenen Jahrzehnten eher abgenommen, meint Frommel. Dass Frauen ihre Neugeborenen sterben lassen oder aktiv töten, sei Folge einer umfassenden Verdrängung: Sie stellten sich nicht dem Geschehen, trauerten nicht und nähmen nicht Abschied. So sei es zu erklären, dass die Leichen – wie jetzt in Wallenfels – auch nach Jahren noch im Haus liegen.
14.11.2015 Ta