Berlin (dv/dapd). Papiere zeigen auch, dass er Vorschriften zum Verbraucherschutz nicht einhielt und engen Kontakt zu windigen Vertriebsfirmen pflegte. Das Berliner Landgericht prüft als Dienstaufsicht für Notare in einem Verfahren Beschwerden gegen Börner, die im Zusammenhang mit der Beurkundung von Verkäufen von Eigentumswohnungen stehen.
Börner hatte die ersten Vorwürfe über einen Medienanwalt bereits im Dezember als frei erfunden bezeichnet und mitgeteilt, sie würden jeglicher Grundlage entbehren.
Es geht um ein Objekt in Berlin-Schmargendorf. Dabei verkaufte eine Tochterfirma der Wohnungsbaugesellschaft Mitte im Oktober 2004 130 Wohnungen an die private Rolf Albern Vermögensverwaltung GmbH – laut einer unternehmensinternen Aufstellung für im Schnitt rund 740 Euro pro Quadratmeter.
Teils nur wenige Wochen später verkaufte die Firma die Wohnungen an Kleinanleger – für im Schnitt etwa 1.460 Euro pro Quadratmeter. Gegenüber dem Ankaufspreis entspricht das einem Aufschlag von fast 100 Prozent. Dass vertragliche Nebenkosten von der privaten Immobilienfirma übernommen wurden, ist in dieser Rechnung berücksichtigt; ebenso, dass den Käufern ein kleiner Teil der Kaufsumme aus vertragstechnischen Gründen zurückerstattet wurde.
Preisdifferenz war dem Notar bekannt
Rolf Albern, damals Gesellschafter der Firma, bezeichnete die Preise beim Weiterverkauf als nicht überhöht. Börner hatte über eine von ihm beauftragte Kanzlei bereits im Dezember darauf hingewiesen, als Notar auf Verhandlungen zu Kaufpreisen keinen Einfluss nehmen zu dürfen. Die immensen Preisunterschiede hätten ihm jedoch auffallen können. Denn er beurkundete nicht nur den Ankauf der Wohnungen, sondern auch Verträge zum Weiterverkauf.
Hinsichtlich des seinerzeit marktüblichen Preises, des sogenannten Verkehrswertes, war Börner sogar ein noch niedrigerer Preis bekannt. Die Immobilienfirma nannte ihm einen Verkehrswert von rund 500 Euro pro Quadratmeter. Das teilte der Notar am 1. Februar 2005 jedenfalls dem Grundbuchamt mit. Der Weiterverkaufspreis, im Schnitt rund 1.460 Euro, wäre in diesem Fall sogar dreimal so hoch wie der Verkehrswert.
Wie die Firma Rolf Alberns den angegebenen Verkehrswert ermittelte, ist unklar. Rolf Albern selbst sagt, er könne sich nicht erinnern. Ein Experte der WBM recherchierte vor dem Verkauf an die Rolf Albern Vermögensverwaltung allerdings die Preise, die im Jahr 2004 bei Verkäufen vergleichbarer Wohnungen erzielt wurden: im Schnitt angeblich 990 Euro pro Quadratmeter. Selbst im Vergleich zu diesem Wert wären die Preise der von Börner beurkundeten Wohnungsverkäufe um rund 50 Prozent überhöht gewesen.
Missachtung der gesetzlichen Frist
Doch es geht nicht nur um überhöhte Preise. Börner hielt sich in mehreren Fällen auch nicht an eine Regelung zum Verbraucherschutz. Diese ist im Beurkundungsgesetz festgeschrieben: Um Anleger vor übereilten Geschäften zu schützen, sollen Verträge ihnen mindestens zwei Wochen vorher vorliegen. Börner jedoch hielt in Urkundenrollen aus den Jahren 2004 und 2005 fest, dass den Käufern der Vertragstext erst «seit heute bekannt sei». In den Urkunden verwies er darauf, dass die Käufer trotz nicht eingehaltener Frist auf Beurkundung bestanden hätten.
Der Verbraucherschutzanwalt Thomas Storch ist der Ansicht, dass der Notar die Verträge nicht hätte absegnen dürfen. Er kann sich auf ein Urteil des Berliner Kammergericht aus 2008 berufen. Danach kann die Zwei-Wochen-Frist nur «unter Berücksichtigung der Schutzinteressen des Verbrauchers» verkürzt werden. Dies sei nicht der Fall gewesen, sagt Storch. «Meine Mandanten waren schon deswegen schutzbedürftig, weil sie keine erfahrenen Immobilienanleger waren und keinen anderen Berater hatten.» Der Jurist hat Börner in mehreren Fällen den Streit verkündet und bereitet Klagen auf Schadenersatz vor.
In Bedrängnis bringen könnten Börner auch frühere Kontakte mit der Vertriebsfirma R & R First Concept Immobilien GmbH. Einer ihrer früheren Geschäftsführer muss sich zurzeit wegen des Vorwurfs des bandenmäßigen Betrugs vor dem Berliner Landgericht verantworten. Unter dem Vorwand, bei Steuern sparen helfen zu wollen, sollen er und sechs weitere Angeklagte Anleger zum Kauf überteuerter Wohnungen gebracht haben. Notar Börner beurkundete die Gründung der R & R. Dokumente belegen zudem, dass er einen Geschäftsführer in einer Strafsache verteidigte. Der Vorwurf: Anlagebetrug.
Fatales Netzwerk
Ein Immobilienhändler kaufte die Wohnungen, windige Vertriebler schwatzten sie Anlegern auf, eine Bank gewährte allzu großzügig Kredite – und Börner beurkundete. Für den Erfolg der Geschäftspraktiken hatte der Notar offenbar eine wichtige Funktion. Er vermittle den Eindruck von Seriösität, die Atmosphäre in den Räumen eines Notars sei für Durchschnittsbürger zudem «extrem verunsichernd», sagen Verbraucherschützer.
Der Verbraucherschutzanwalt Jochen Resch vertrat und vertritt nach eigenen Angaben mehrere hundert Käufer, deren Verträge von Börner beurkundet wurden. Sie hätten sich vor Abschluss des Geschäfts falsch informiert gefühlt und fühlten sich um ihr Geld gebracht, sagte Resch.
Das Berliner Landgericht bestätigte jetzt erstmals offiziell, dass es Verfahren gegen den Schatzmeister der Berliner Rechtsanwaltskammer, Joachim Börner, und den Schatzmeister der Berliner Notarkammer, Frank Leithold gebe. Bisher hatte das Gericht nur bestätigt, dass es Beschwerden gebe, aber keine Namen genannt.
Börner wollte sich offiziell nicht äußern. Im Dezember hatte er die damaligen Vorwürfe über einen Medienanwalt „frei erfunden“ genannt. Sein Amt als Schatzmeister der Rechtsanwaltskammer ließ er ruhen, aufgegeben hat er es nicht.
12.03.2012 dv