Hamburg (dapd). Anders als bei einer dosierten Anwendung von Cannabis als Medizin sind die Auswirkungen des regelmäßigen Konsums der Droge gesundheitsschädlich. Dann ist Marihuana wesentlich schlimmer als Tabak. Herzinfarkt und Bronchialkarzinom treten fernab des Jugendalters auf, aber die Schäden durch regelmäßigen Cannabiskonsum sehen wir bereits beim Jugendlichen“, sagte Rainer Thomasius, Leiter des deutschen Zentrums für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters (DZSKJ) am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE).
Der Experte warnte aber zugleich davor, den gelegentlichen Gebrauch mit schweren Konsummustern gleichzusetzen. „Ich gehöre nicht zu denen, die glauben, dass ein Joint am Wochenende tatsächlich schwerwiegende Folgen verursacht“, sagte er. Aber junge Menschen, die regelmäßig täglich mehrfach konsumieren, leiden häufig an Motivationsstörungen. Zudem ließen Konzentration, Gedächtnisleistung und Aufmerksamkeit nach, was sich schnell auf die Schulleistungen auswirke.
Jungen als Hauptabnehmer
Daneben unterscheidet Thomasius zwei weitere Arten möglicher Folgen regelmäßigen Konsums: Ein weiterer großer Problembereich sind psychische Störungen wie Depressivität und Angststörungen. Schließlich können auch psychotische Störungen auftreten wie Wahnbildung mit dauerhaften Halluzinationen, Verfolgungsgefühl bis hin zu Schizophrenien bei massivem Cannabiskonsum.
„Diese Symptome hören aber in vielen Fällen in dem Moment auf, wenn der Konsum eingestellt wird“, erklärte Thomasius. Allerdings gebe es Hinweise auf bleibende Schäden beim Nervensystem, das sich in der Pubertät noch entwickelt. Das seien Störungen der Emotionsregulation.
Auch wenn Jugendliche immer häufiger zu viel Alkohol konsumieren, Cannabis ist noch immer die Hauptproblemdroge in der Reha-Behandlung für junge Menschen, wie Thomasius erklärte. Wobei Jungen eher zum Drogenkonsum neigen als Mädchen. „Wir haben eine Geschlechterverteilung von drei zu eins“, sagte Thomasius. Mädchen holten allerdings auf, insbesondere beim sogenannten Binge Drinking, dem Rauschtrinken. Alkohol mache inzwischen ein Viertel der Neuaufnahmen in Thomasius‘ Abteilung aus. Der Rest seien Fälle schweren Cannabis-Konsums.
30 Prozent der Jugendlichen sind gefährdet
Dass Cannabis bei jungen Konsumenten nach wie vor stark im Trend liegt, bestätigte auch die Hamburger Polizei. Grund sei, dass viele Konsumenten Erwerb und Konsum von Cannabis als legal empfänden, erklärte Birgit Vitense von der Drogen- und Suchtprävention der Polizei Hamburg. Solche „Wissenslücken“ versuche die Polizei durch Aufklärung zu schließen.
Insgesamt habe Prävention viel bewirkt, vor allem beim Tabakkonsum, bestätigte Thomasius. Die Einstiegsquote in den Tabakkonsum bei den 12- bis 14-Jährigen habe sich in den vergangenen Jahren halbiert. „Aber eine kleine Population früh verhaltensauffälliger junger Menschen konsumiert mit früherem Einstieg in die legalen und illegalen Substanzen und auch mit sehr viel intensiveren Konsummustern als wir das beispielsweise vor zehn Jahren gesehen haben“, erklärte Thomasius.
Nach Schätzung des Fachverbandes Drogen und Rauschmittel gelten bis zu 30 Prozent der jungen Menschen unter 25 Jahren als suchtgefährdet, weil sie bereits als Ungeborene durch Alkohol, Nikotin oder andere Drogen beeinträchtigt wurden, in suchtbelasteten Familien aufwachsen oder selbst zu früh und zu viel konsumieren. Schätzungen gehen von knapp 2,7 Millionen Jugendlichen unter 18 Jahren aus, die in alkoholbelasteten Familien aufwachsen.
Foto: Kokopelli / pixelio.de
14.11.2010 dv
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