Die wollen nur Ihre Kontonummer

Wolfgang Seitz über einen Fahndungserfolg und üble Tricks am Telefon

 Wolfgang Seitz ist 60, hat Stimme und Ausstrahlung eines 35-Jährigen – und er ist an diesem Freitag ziemlich vergnügt. Obwohl der Terminkalender überquillt: Dem Leiter des Essener Betrugskommissariats und seinen Beamten ist in dieser Woche der größte Fahndungserfolg gegen betrügerische Telefongeschäfte geglückt: Ein Essener Call-Center soll 82.000 Menschen um rund zehn Millionen Euro gebracht haben. e110 sprach mit Seitz.

e110: Man darf gratulieren. War wohl ganz schön viel Arbeit, das Ganze?
Seitz: Das können Sie laut sagen. Im September 2009 bekamen wir die ersten Hinweise. Und wir stellten auch einen starken Anstieg der Anzeigen fest. Dann hatten wir ein Auge auf die Geschichte. Und wir haben dann, als die Zeit reif war, die Lawine los getreten.

Für die Abwicklung der Aktion …
Seitz: …Sie meinen, dass wir da gelobt worden sind. Stimmt! Wir haben es geschafft, alles ziemlich moderat abzuwickeln.

Was ist denn da genau mit den Menschen passiert, die Anzeige erstatteten?
Seitz: Die konnten sich nicht so recht erklären, was ablief. Sie hatten einen netten Anruf bekommen. Die Frau oder der Mann am anderen Ende erklärte, dass sie Gebühren für das Gewinnspiel zahlen müssten, an dem sie bislang kostenlos teilgenommen hätten. 59 bis 89 Euro fürs Jahr – so sei es abgemacht. Und man rufe nur noch einmal an, um die Bankdaten abzugleichen.

Dabei bezogen sich die Mitarbeiter des Call-Centers auf Vorgänge im Internet.
Seitz: Nicht unbedingt. Das war eine Variante. Die andere war, dass einfach behauptet wurde, der Angerufene habe sich ein Jahr zuvor zu einer Beteiligung an dem Gewinnspiel bereit erklärt. Die Call-Agenten waren durch eine 17-seitige Broschüre extrem gut geschult, hatten auf eventuelle Rückfragen immer gelernte Antworten parat. Und viele der Geschädigten sind ältere Menschen. Die sind vielleicht ein bisschen einsam und freuen sich, wenn jemand Nettes sie anruft.

Was sollen sie denn tun?
Seitz: Immer misstrauisch sein, wenn  ein Fremder am Telefon so freundlich auftritt. Wenn er dann noch von einem Gewinnspiel oder einer Gratisreise redet, von der man zum ersten Mal hört: gleich auflegen, kein Wort weiter! Je länger der Anrufer Sie im Gespräch hat, desto eher rutschen Ihnen Infos raus, die Sie für sich behalten sollten. Die Leute wollen nur Ihre Kontonummer.

Und wenn dann doch was passiert ist?
Seitz: Überprüfen Sie regelmäßig Ihr Konto. Falls dort verdächtige Beträge abgebucht wurden, können Sie zeitnah rückbuchen. Die Leute von der Bank helfen da gern.

Sie haben gesagt, Ihre Kommission habe eine Lawine los getreten …
Seitz: Bleiben wir doch im Winter-Bild: Das war nur die Spitze eines Eisbergs. Heute früh habe ich schon eine Mail aus Thüringen bekommen. Dort wurde jemand in dieser Woche wegen eines Gewinnspiels, für das er nun hätte zahlen müssen, angerufen. Er hat sich an uns gewandt. Sein Fall hat mit dem Center in Essen definitiv nichts zu tun. Also, da gibt es noch genug zu tun für die Fahnder.

16.04.2010 dv