Hannover (dapd-nrd). Der Kriminologe Christian Pfeiffer sieht eine mögliche Wechselwirkung zwischen der Berichterstattung über Kindstötungen und der gehäuften Zahl der Tötungsdelikte in den vergangenen Wochen. Es gibt viele Menschen, die mit düsteren Gedanken schwanger sind“, sagt der Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen. Wenn dann in der Zeitung über eine Kindstötung berichtet werde, könne das „Animation sein, eigene Gefühle nicht mehr unter Kontrolle zu halten“.
Allein im Ruhrgebiet sind in den vergangenen zwei Wochen fünf Kinder durch ihnen nahestehende Menschen getötet worden. Am Wochenende hat eine Frau in Essen erst ihre siebenjährige Tochter und dann sich selbst umgebracht. Zuvor hatte ein psychisch gestörter Mann in Oberhausen den acht Jahre alten Sohn seiner Freundin getötet. Anfang August waren zudem drei Geschwister im Alter von vier, zehn und zwölf Jahren in Dortmund gewaltsam ums Leben gekommen. Tatverdächtig: die Lebensgefährtin des Vaters.
Kein Zufall
Dass sich all diese Fälle im Ruhrgebiet und damit in ein und derselben Region ereigneten, ist für Kriminologe Pfeiffer kein Zufall. Die meisten Menschen lesen Regionalzeitungen, in denen besonders ausführlich über solche Fälle berichtet werde.
Den Journalisten macht Pfeiffer jedoch keinen Vorwurf. Es sei klar, dass über ein solches Ereignis berichtet werde. Wenn dies nüchtern-sachlich geschehe, sei dagegen nichts einzuwenden.
Soziales Umfeld entscheidend
Zugleich betont Pfeiffer, dass die Zahl der Kindstötungen in Familien in den vergangenen Jahren drastisch gesunken sei. Während 2000 noch 106 Kinder im Alter zwischen null und sechs Jahren von nahestehenden Menschen umgebracht wurden, seien es zehn Jahre später nur noch 54 und damit etwa halb so viele gewesen. Auch die Zahl der Misshandlungen sei deutlich zurückgegangen. „Kinder leben heute viel sicherer in ihren Familien als vor 20 Jahren“, sagte Pfeiffer. Dies liege nicht zuletzt daran, dass die Jugendämter aufgerüstet hätten und Gewalttäter heute aus den Familien verwiesen werden könnten.
Um Kindstötungen zu verhindern, seien aber vor allem soziale Netzwerke unerlässlich, betont Pfeiffer. „Wer einen Job hat, wer Freunde hat, der findet immer Menschen, mit denen er über Probleme reden kann.“ Sei jemand hingegen sozial isoliert, könne sich Hass aufbauen, der sich plötzlich auf tragische Weise entlade.
Foto: Securitel
14.08.2012 Ta
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