Berlin/Duisburg (dv). Auf der Suche nach Erklärungen für den katastrophalen Verlauf der Loveparade in Duisburg mehren sich Hinweise darauf, dass die Veranstaltung erst kurz vor Beginn unter hohem Zeitdruck genehmigt wurde. Außerdem beruhte die Genehmigung der Stadt Duisburg auf falschen Besucherzahlen. Die Stadt kündigte für Samstag eine Trauerfeier an. Daran werden auch Bundespräsident Christian Wulff und Bundeskanzlerin Angela Merkel teilnehmen. Unterdessen wurden die Rücktrittsforderungen an die Verantwortlichen lauter. Ein Gruppenführer der Kölner Polizei sagte, Bedenken der Beamten seien ignoriert worden. Duisburgs Oberbürgermeister Sauerland befand sich nach Medienberichten am Nachmittag des Unglücks noch im Urlaub.
Die Genehmigung der Bauaufsichtsbehörde ist erst am 21. Juli, also drei Tage vor dem Event, erteilt worden. Aus dem Papier geht auch hervor, dass zu diesem Zeitpunkt das abschließende Brandschutzkonzept noch gar nicht vorlag. Dies sollte erst am 22. Juli nachgereicht werden.
Es gab erhebliche Sicherheitsbedenken“
Als Begründung für die späte Erlaubnis sagt ein mit der Organisation vertrauter Insider: „Es hat in der Verwaltung lange Widerstand gegen die Veranstaltung gegeben. Da hatten Beamte ganz erhebliche Sicherheitsbedenken.» Dies passt auch zu Berichten des «Kölner Stadt-Anzeigers», nach denen die ordnungsbehördliche Genehmigung erst Stunden vor dem Beginn der Party unterschrieben wurde. Mitarbeiter seien unter Druck gesetzt worden, um die Genehmigung abzunicken, berichtete das Blatt.
Der Nachrichtenagentur ddp liegen darüber hinaus Unterlagen vor, nach denen die Bauaufsicht die für das Partygelände zulässige Personenzahl entsprechend dem Brandschutzkonzept und einer Evakuierungsanalyse auf 250.000 Menschen begrenzt hatte. Dagegen rechneten die Planungsfachleute im Arbeitskreis Verkehr mit 700.000 bis 750.000 Besuchern. Nach Angaben von Verantwortlichen wurde in dem Expertenkreis sogar die Anreise von einer Million Besucher für möglich gehalten.
An den erwarteten hohen Besucherzahlen orientierte sich auch ein Papier zum Verkehrskonzept für die Loveparade. Danach sollten 700 Sonderzüge mit einer Kapazität zwischen 800 und 1300 Fahrgästen bereit gestellt werden. «Diese Planung mit hohem Besucherandrang lag auch richtig. Bis mindestens 16.30 Uhr sind die meisten Züge gut ausgelastet gewesen», sagt ein Insider.
Trauerfeier am Samstag
Zur Aufklärung des Unglücks hat die Kölner Polizei eine Ermittlungskommission mit etwa 60 Beamten eingesetzt. Die zuständige Duisburger Staatsanwaltschaft hat die Aufklärung des Unglücks abgegeben, um dem Verdacht eines Interessenkonflikts vorzubeugen. Voraussichtlich am Mittwoch sollte über den Stand der Ermittlungen informiert werden. Die Trauerfeier für die Opfer findet am Samstag (31. Juli, 11.00 Uhr) in der Duisburger Salvatorkirche statt.
Der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Wendt, forderte den Duisburger Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU) sowie den Sicherheitsdezernenten der Stadt, Wolfgang Rabe, zum Rücktritt auf. «Als Chef der Stadtverwaltung hat sich Adolf Sauerlandn auf seine Spitzenbeamten verlassen müssen, auch dort gab es breites Versagen», sagte er.
Starrsinn im Rathaus
Nach den Angaben eines Gruppenführers der Kölner Polizei haben die Veranstalter der Loveparade sorglos gehandelt «Es gab 12 bis 13 Ortstermine in Duisburg. Auch andere Einsatzführer der Polizei aus Wuppertal oder Aachen waren dabei. Und jedes Mal waren wir uns einig, dass das geplante Konzept im Chaos enden wird, dass es Verletzte und Tote geben wird», sagte er. Im Rathaus sei man aber nicht zu Diskussionen bereit gewesen.
27.07.2010 dv
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