In einer Apotheke am Rande des Potsdamer Weihnachtsmarkts wurde 2017 eine Paketbombe entdeckt. Später folgten ähnliche Fälle. Doch vom Täter fehlte jahrelang jede Spur. Vor zwei Wochen wurde in XY nach ihm gefahndet. Jetzt hat er sich gestellt.
Potsdam (dpa/wel) – Sturmhaube, Schreckschusswaffe mit Munition und eine rote Mund-Nasen-Bedeckung: Mehrere Beweise stellt die Polizei in einer Wohnung in Brandenburg sicher. Die Gegenstände gehören einem 35-Jährigen, der sich gestern Nachmittag bei den Ermittlungsbehörden als mutmaßlicher DHL-Erpresser gestellt hat.
Der Fall um die Erpressung des Paketdienstleisters ist nach Polizeiangaben damit gelöst. Heute erging Haftbefehl gegen den 35-jährigen Brandenburger. Der polizeibekannte Mann hat zehn Erpressungen eingeräumt. Er hatte sich gestern Nachmittag über seinen Anwalt zunächst bei der Polizei gemeldet. Kurze Zeit später war er im Beisein der Staatsanwaltschaft vernommen worden.
Fahndungsfoto vom Bitcoin-Automat
Auf Antrag der Staatsanwaltschaft erlässt das Amtsgericht Potsdam einen Haftbefehl wegen des Vorwurfs der versuchten räuberischen Erpressung in zehn Fällen, davon in vier Fällen zugleich wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung. Der Haftbefehl wurde unter strengen Auflagen außer Vollzug gesetzt.
Vor zwei Wochen war in «Aktenzeichen XY… ungelöst» ein Bild aus einer Überwachungskamera ausgestrahlt worden. Es zeigte einen Mann, der verdächtigt wurde, der Erpresser zu sein. Das Foto war nach Angaben der Behörden am Abend des 22. Oktober 2020 gegen 18.45 Uhr von einem Bitcoin-Geldautomaten in einem Spätkauf im Berliner Stadtteil Friedrichshain aufgenommen worden. Der Mann trug eine rote Mund-Nasen-Schutzmaske.
Bombenalarm am Rande des Weihnachtsmarktes
Am 1. Dezember 2017 war in einer Apotheke am Rande des Potsdamer Weihnachtsmarkts eine Paketbombe entdeckt worden, in der sich eine Sprengvorrichtung und Nägel befanden (e110 berichtete damals). In dem Päckchen wurde auch ein als QR-Code verschlüsseltes Schreiben entdeckt, mit dem DHL um eine Millionensumme in Bitcoins erpresst wurde.
Dass keine Menschen verletzt wurden, war auch der Umsicht des Apothekers, der das Päckchen erhielt, zu verdanken. Er habe beim Öffnen ein Zischen gehört und bemerkt, «dass da so komische Drähte rausguckten», berichtete der Apotheker später. Daraufhin hatte er die Polizei alarmiert.
Später stellte sich heraus, dass schon Anfang November 2017 eine erste explosive Sendung des DHL-Erpressers im Postzentrum Frankfurt (Oder) eingegangen war. Diese war beim Öffnen in Brand geraten, wodurch auch das Erpresserschreiben zerstört wurde. Weitere explosive Sendungen gingen dann auch noch im darauf folgenden Januar bei einer Berliner Bankfiliale und im April bei der Handwerkskammer in Berlin ein.
Keine Zweifel an Täterschaft
«Die inzwischen durchgeführte Überprüfung der Aussagen des Beschuldigten hat den Tatverdacht bestätigt», hieß es heute von Polizei und Staatsanwaltschaft. Noch gestern hatten die Ermittler an der Wohnanschrift des Mannes in Brandenburg «beweiserhebliche Gegenstände und Unterlagen» sichergestellt. Sie werden nun ausgewertet. Darunter befanden sich unter anderem eine Sturmhaube, eine Schreckschusswaffe mit Munition und die rote Mund-Nasen-Bedeckung,wie sie auf dem Fahndungsfoto zu sehen war. Außerdem PC-Technik und ein Mobiltelefon.
Zeitweise waren rund 50 Beamte gleichzeitig in der Sonderkommission mit dem Fall befasst, über die Jahre waren es 350. Sie werteten nach Behördenangaben mehr als 1000 Spuren und Hinweise aus. Mehrfach glauben sich die Ermittler nah dran am mutmaßlichen Täter, mussten dann aber weitersuchen. Denn der Mann sei hochprofessionell in anonymen Bereichen des Internets unterwegs und verschlüssele seine Kommunikation, hieß es zwischenzeitlich.
Enormer Fahndungsdruck
Warum stellt sich der Mann dann jetzt nach rund dreieinhalb Jahren? Die Ermittler vermuten, es sei ihm «zu heiß» geworden. Vor allem wegen des Fotos aus der Überwachungskamera, das die Polizei veröffentlicht hatte. Knapp 300 Hinweise gingen bei der Polizei ein. «So etwas löst einen enormen Druck aus, wenn man denkt, überall wiedererkannt zu werden», sagte Polizeisprecher Torsten Herbst.
Fotos: Securitel / ZDF und Christian Pörschmann / dpa
27.05.21 wel