Eine Frau fährt in der S-Bahn. Um sie herum eine Menge Jugendlicher. Sie beginnen, die Frau zu belästigen und anzupöbeln. Völlig verunsichert sitzt sie auf ihrem Platz. Sie traut sich nicht mehr sich zu bewegen. Die Meute wird aggressiver: Jetzt wird das Opfer geschubst. Sie zerren an Handtasche und Kleidung der verängstigten Frau. Die S-Bahn hält. Die Jugendlichen lassen von ihrem Opfer ab, wollen scheinbar aussteigen. Einer dreht sich noch mal um und schlägt mit der Faust zu: mitten ins Gesicht der Frau, die blutend zu Boden stürzt. Es ist 17.30 Uhr, Rushhour in der Stadt, die S-Bahn voll besetzt.
Nicht wegschauen: hinschauen!
Wäre nur ein Mensch aufgestanden und hätte gesagt: „Schluss damit!“, hätte er andere Mitfahrende wahrscheinlich animiert, ebenfalls aufzustehen. Dann wäre der Frau sicher nichts passiert. Trotzdem haben es die Menschen in der S-Bahn vorgezogen, lieber keinen Blick zu riskieren. Zivilcourage heißt nicht, eine Heldentat zu vollbringen, bei der man am Ende mit körperlichem Einsatz eine Übermacht zu Boden ringt. Zivilcourage, das sind kleine, mutige Taten, die oftmals ausreichen, dass eine bedrohliche Situation nicht eskaliert.
Aber genau das ist das Problem vieler Menschen, die sich beim Anblick einer kriminellen Tat völlig hilflos und überfordert fühlen. Man könnte schließlich einen Fehler machen. Am Ende bringt man sein eigenes Leben in Gefahr.
Reaktion gleich Null
In Deutschland verlieren wöchentlich etwa drei Kinder infolge häuslicher Gewalt ihr Leben. In vielen Fällen würde es nicht soweit kommen, wenn Angehörige, Freunde oder Nachbarn nicht wegschauen würden.
„Darum sollen sich die anderen kümmern!“, „Was soll ich da schon tun!“ oder „Das geht mich nun wirklich nichts an!“, sind Ausreden, mit denen viele Zeugen ihr Nicht-Eingreifen bei einer Straftat rechtfertigen. Dabei sind wir schon von Gesetzes wegen verpflichtet, bei einer Straftat gemäß unseren Möglichkeiten einzugreifen. Nur wie?
Fotos: „XY… Sicherheits-Check“ / ZDF