Der Schutz innerhalb der Familie sollte der stärkste Rückhalt für ein Kind sein. Hier sollte es Liebe, Sicherheit und Geborgenheit erfahren. In dieser Abhängigkeit und in diesem Vertrauen kommt es jedoch auch zum Missbrauch – häufiger als man denkt. Vater, Stiefvater, Lebenspartner, Opa, Bruder, Onkel, der gute Freund der Familie, manchmal sogar Mutter oder Tante: Sexueller Missbrauch innerhalb der Familie findet täglich irgendwo statt.
Selten handelt es sich um „einmalige Ausrutscher“. Meist werden Kinder über Jahre hinweg missbraucht. Mit solchen Handlungen stillt der Täter nicht nur seine sexuellen Bedürfnisse, sondern auch das Verlangen nach Unterwerfung und Macht.
Der Gedanke, dass das eigene Kind Opfer von sexuellem Missbrauch wurde, ist unerträglich. Verschließen Sie dennoch nicht die Augen, wenn Sie einen Verdacht haben! Aber gehen Sie behutsam vor!
Keine Angst vor einer Anzeige!
Wenn Sie den Verdacht haben, dass ein Kind in Ihrem Bekanntenkreis missbraucht wurde, holen Sie Informationen ein! Beobachten Sie, fragen Sie nach! Eventuell auch bei einer Beratungsstelle. Bei begründetem Verdacht: Scheuen Sie sich nicht, Anzeige zu erstatten!
Wenn das Kind sich jemandem anvertraut oder durch Beobachtungen Dritter der Verdacht zur Gewissheit wird, beginnt für das Opfer ein neuer Abschnitt seines Leidenswegs. Das betroffene Kind sollte gerade jetzt nicht durch falsches Verhalten der Helfer Schaden erleiden.
Deshalb hier die wichtigsten Verhaltenstipps:
– Hinsehen und einschreiten!
Treten Sie der Gewalt und der sexuellen Ausbeutung von Kindern entgegen! Seien Sie auch innerhalb der Familie und im Freundeskreis sensibel dafür!
– Glauben Sie dem Kind!
Das ist die wichtigste Unterstützung, die Sie ihm zunächst geben können.
– Stellen Sie sich unmissverständlich hinter das Kind!
Versuchen Sie, nichts zu relativieren! Gehen Sie nicht auf Rechtfertigungen und Behauptungen des Täters ein: „Die hat das nur im Fernsehen gesehen.“ oder „Du kennst mich doch, das würde ich nie tun.“ oder „Das Kind will uns nur auseinanderbringen.“
– Nehmen Sie auch Andeutungen ernst!
Nehmen Sie sich viel Zeit für Ihr Kind und hören Sie genau zu! Ermutigen Sie es, über die Geschehnisse zu reden, aber drängen Sie es nicht! Ihr Kind sollte immer freiwillig erzählen.
– Die meisten Opfer fühlen sich selbst für den Missbrauch verantwortlich. Nehmen Sie diese Gefühle ernst! Machen Sie dem Kind klar, dass es keine Schuld trifft! Allein der Täter ist für seine Handlungen verantwortlich.
– Beziehen Sie klar Stellung!
Verurteilen Sie die Tat, aber belasten Sie Ihr Kind nicht mit Ihren eigenen negativen Gefühlen, etwa Rachegefühlen!
– Zeigen Sie Ihrem Kind Ihre Zuneigung!
Es darf nicht glauben, dass sie es jetzt weniger lieb haben als vorher.
– Drängen Sie Ihrem Kind die Zuneigung aber nicht auf!
Wenn es sich gerade bei körperlichen Berührungen zurückzieht, respektieren Sie das!
Nicht verharmlosen, aber auch nicht unnötig dramatisieren!
– Versuchen Sie, Ihrem Kind gegenüber ruhig zu bleiben!
Wenn Sie Angst, Panik oder Bestürzung und Verzweiflung zeigen, wird sich Ihr Kind schuldig fühlen, Ihnen Kummer bereitet zu haben. Wenden Sie sich an geeignete Stellen und Personen, um Ihren Schmerz zu verarbeiten!
– Machen Sie Ihrem Kind keine Vorwürfe, warum es bis jetzt geschwiegen hat!
Zeigen Sie ihm, dass Sie froh sind, dass es zu Ihnen gekommen ist!
– Spielen Sie das Geschehene nicht herunter, um Ihr Kind zu trösten!
Damit helfen sie ihm nicht: Es wird sich von Ihnen unter Umständen zurückziehen und sich nicht mehr anvertrauen.
Reagieren und aktiv werden!
– Stoppen Sie den Missbrauch!
Sorgen Sie dafür, dass das Kind nicht mehr mit dem Täter zusammentrifft – auch wenn das den Auszug aus der Wohnung, die Strafanzeige, die Trennung vom Partner usw. bedeutet!
– Fragen Sie gezielt, womit der Täter gedroht hat!
Entkräften Sie die Drohungen und nehmen Sie dem Kind die Angst!
– Suchen Sie eine Beratungsstelle auf, um sich über die weiteren Möglichkeiten zu informieren!
– Sprechen Sie mit der Beratungsstelle über eine Strafanzeige!
Wägen Sie die Entscheidung sorgfältig ab! Wird ein Kind sexuell missbraucht, beginnt die Verjährung erst mit der Volljährigkeit des Opfers. Das bedeutet, dass das Opfer bis zum 18. Lebensjahr gegen den Täter strafrechtlich vorgehen kann.
– Medizinische Untersuchungen, Gerichtsverhandlungen, polizeiliche Vernehmungen, etc. können einerseits sehr belastend sein für ein Kind. Andererseits sind sie aber auch hilfreich. Nicht nur für die Beweissicherung. Die Aufarbeitung des Unrechts kann durch diese Maßnahmen begleitet werden.
– Nehmen Sie selbst und für Ihr Kind auch die Hilfe eines Psychologen in Anspruch!