Stuttgart (dapd). Der Buback-Mord war der Auftakt einer Anschlagsserie der linksterroristischen Roten Armee Fraktion“ im Jahr 1977, dem auch Dresdner-Bank-Chef Jürgen Ponto und Arbeitgeberpräsident Hanns-Martin Schleyer zum Opfer fielen. Das Strafverfahren gegen Becker, bei dem der Anwalt des Sohnes des Ermordeten „Überraschungen“ prognostiziert, wird mit Spannung erwartet. Denn dies könnte vielleicht der letzte große RAF-Prozess sein.
Die inzwischen 58-jährige Becker ist wegen gemeinschaftlich begangenen Mordes an Buback und seinen beiden Begleitern angeklagt. Nach Auffassung der Bundesanwaltschaft hat sie das Attentat maßgeblich mitgeplant. Sie sei daher als „Mittäterin“ anzusehen. Das Oberlandesgericht hat die Anklage der Bundesanwaltschaft unverändert zugelassen.
Bis heute ist jedoch ungeklärt, wer die tödlichen Schüsse von einem Motorrad aus abgab. Wegen des Buback-Attentats wurden in den 1980er Jahren die RAF-Mitglieder Brigitte Mohnhaupt, Christian Klar und Knut Folkerts wegen Mordes verurteilt. Ihnen konnte aber nur eine Mittäterschaft nachgewiesen werden. Michael Buback, Sohn des ermordeten Generalbundesanwalts und Nebenkläger, will nun im Prozess nachweisen, dass Becker geschossen hat. „Herr Buback hat mit wissenschaftlicher Akribie Beweise zusammengestellt, die darauf hindeuten, dass Verena Becker die Schützin war“, sagt sein Anwalt Ulrich Endres.
Die Bundesanwaltschaft geht jedoch nicht davon aus, dass Becker geschossen hat. Es gebe „keine hinreichenden Anhaltspunkte“ dafür, dass Becker eines der beiden Mitglieder des Anschlagkommandos auf dem Motorrad war. Sie soll aber „maßgeblich an der Entscheidung für den Mordanschlag, an dessen Planung und Vorbereitung sowie der Verbreitung der Selbstbezichtigungsschreiben mitgewirkt haben“. Ob Becker im jetzigen Prozess überhaupt aussagen wird, ist fraglich. Bisher gibt es keine Anzeichen, dass sie das RAF-„Schweigekartell“ durchbrechen wird.
Kriminaltechnischer Glückstreffer
Gegen Becker war bereits nach dem Attentat ermittelt worden. Das Ermittlungsverfahren war dann aber am 31. März 1980 mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt worden. Am 9. April 2008 wurde es wieder aufgenommen. Dass es schließlich zu der Anklage führte, ist letztlich einem kriminaltechnischen Glückstreffer zu verdanken. So wurden mehrere Briefumschläge, in denen eine Woche nach dem Attentat Bekennerschreiben der RAF versandt worden waren, molekulargenetisch untersucht. Dabei wurden an den Umschlaglaschen und den Briefmarken zweifelsfrei DNA-Spuren Beckers gefunden, wie das Gutachten des Kriminaltechnischen Instituts des Bundeskriminalamtes vom 27. Februar 2009 ergab. Danach begann die Bundesanwaltschaft mit verdeckten Ermittlungsmaßnahmen gegen Becker. Am 27. August 2009 wurde sie in Berlin festgenommen.
Die Bundesanwaltschaft betont, dass der Verdacht der Mittäterschaft gegen Becker durch geheime Unterlagen des Bundesamtes für Verfassungsschutzes „bestätigt“ werde, die die Bundesanwaltschaft in gerichtsverwertbarer Form – aber unter Wahrung des Quellenschutzes – erhielt. Becker soll von Herbst 1981 bis Ende 1983 Kontakt zum Verfassungsschutz gehabt haben.
„Eine Fülle von Pannen und Versäumnissen“
Michael Buback behauptet, dass es bei den Ermittlungen zum Mord an seinem Vater „eine Fülle von Fehlern, Pannen und Versäumnissen“ gebe, die sich fast alle zugunsten von Frau Becker auswirkten. Er und auch sein Anwalt Ulrich Endres halten es für möglich, dass bei den Sicherheitsbehörden jemand eine „schützende Hand“ über Verena Becker gehalten hat. Eine langjährige „Deckung“ Beckers könne nicht ausgeschlossen werden. „Da wird es noch Überraschungen geben“, kündigte Endres an.
Die Bundesanwaltschaft sieht dies jedoch gelassen und glaubt nicht an „Verschwörungstheorien“. Sollte Becker verurteilt werden, droht ihr eigentlich eine lebenslange Freiheitsstrafe. Ob es aber dazu käme, ist fraglich. Denn das Oberlandesgericht müsste berücksichtigen, dass Becker wegen einer anderen Tat bereits lebenslang bekommen hatte und 1989 begnadigt wurde.
Foto: Archiv
26.09.2010 dv
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