Wo aller Hass begann

In Thüringen wurden die mutmaßlichen Polizistenmörder infiltriert

VON DETLEF VETTEN

Rudolstadt/Eisenach/Zwickau.  Die drei Menschen, deren  Taten dieser Tage die Republik erschüttern, haben ihre ersten schwerkriminellen Schritte Ende der 90er Jahre getan. Noch weiß die Öffentlichkeit nicht im Detail, wie das Schicksal sie zueinander führte. Doch immer erschreckender sind die Erkenntnisse über das, was in der Folgezeit Uwe B. (34), Uwe M. (38) und Beate Z. (36) zusammenschweißte. Sie lebten offenbar skrupellos ihren Hass aus, ließen jegliche Moral fahren. Bombenlegen, Überfälle, Morden – das war nach den bisherigen Erkenntnissen ihr Leben.

In den nächsten Tagen werden die Ermittler die Biographien dieser drei Killer offenlegen. Doch jetzt schon ist klar, dass sie sich zur falschen Zeit im falschen Umfeld trafen. Ende der 90er war der Osten zwischen Eisenach und Dresden, zwischen Saalfeld und Leipzig ein Landstrich, in dem braunes Gedankengut besonders prächtig gedieh. Dafür hatten ein paar extreme Führer“-Figuren gesorgt.

„Führer“ wie Thomas Dienel
Solche wie Thomas Dienel. Gespenstisch zum Beispiel sein Auftritt vor dem Amtsgericht Rudolstadt. Da galt er bereits als einer der Vordenker der gewaltbereiten Rechtsextremen. Zuerst hatte er noch die „Rudolf-Hess-Aufmärsche“ in Thüringer Städten offiziell anmelden lassen. Später scherte er sich nicht mehr darum, ob seine Aktiviäten und Reden legal waren. So brüllte er bei einer Veranstaltung der Deutsch-Nationalen Partei in Saalfeld in den Wirtsraum, er habe es satt, „ewig dafür zu bluten, dass sich Juden, Amerikaner, Franzosen und Russen irgendwelche Geschichtsfälschungen ausgedacht haben.“ Die Regierung bezeichnete er als „Judenregime“ und dann erklärte er, in Auschwitz sei niemand umgebracht worden – „leider“.

Der Prozess fand 1994 statt. Man erlebte Thomas Dienel im Amtsgericht Rudolstadt. Er war ein gut aussehender junger Mann mit perfekt sitzendem Anzug, dezentem Binder und blank gewichsten Schuhen – so einer dieser Seriösen, denen man gerne sein Erspartes anvertraut. Wenn er redete, tat er das beinahe hochdeutsch, durchdacht und mit fester Stimme. Er war gebildet und verbindlich. Man hätte schier vergessen können, dass auf Geheiß dieses Vorzeige-Menschen die braune Brut jede Moral fahren ließ und alles und jeden jagte, was ihr nicht recht war. Nur „ein Neger am Boden ist ein guter Neger“, so lautete sein Motto..

Ich hatte Notizen gemacht und in den Verhandlungspausen mit Beteiligten geredet. Hatte meinen Job gemacht.

Drohung an der Windschutzscheibe
Vor dem Angeklagten hatte ich mehr und mehr Angst bekommen. Die Höchststrafe sollte er bekommen. Ja! So hatte ich es mir gewünscht. Wegsperren, diese menschgewordene Gefahr!

Ich war nach dem Urteil (zwei Jahre, acht Monate) zu meinem Auto gegangen. An der Windschutzscheibe klebte ein Zettel. Zeitungsbuchstaben drauf geklebt. „HEY JOURNALISTENSCHWEIN! WIR WISSEN WO DU WOHNST! WENN DU WAS SCHREIBST KRIEGST DU BESUCH!“

Dienel musste seine Strafe nicht absitzen. Als er aus dem Knast kam, verdingte er sich – angeblich geläutert – beim Verfassungsschutz als Spitzel. Er verbreitete nichtsdestotrotz rechten Schmutz in einer schlimmen Postille.

Und alles spricht dafür, dass er wohl die drei Menschen gekannt hat, die jetzt die Schlagzeilen beherrschen: die zwei Männer, die sich nach einem Banküberfall im Wohnmobil erschossen haben, und die Frau, die sich der Polizei stellte, nachdem sie den gemeinsamen Unterschlupf in Zwickau offensichtlich in die Luft gejagt hatte – wohl um Spuren zu verwischen.

Mindestens zehn Menschen dürften die Drei getötet haben. Sie haben eine Vergangenheit, die bis dato fast gänzlich im Trüben liegt. Was kommt da noch ans Tageslicht? Die Ermittler arbeiten hektisch. Als ob sie ahnten: Da ist noch mehr!

Foto: Securitel

13.11.2011 dv