Sarah Jacobi ist dabei, ihre Wohnung in Stuttgart zu renovieren und will Mittagspause machen. In ihrem Kühlschrank herrscht gähnende Leere. Deshalb geht sie schnell etwas einkaufen. Sie überquert die Straße in Richtung Supermarkt. Auf dem Gehweg sind zu diesem Zeitpunkt zwei, drei Leute unterwegs. Neben anderen Passanten begegnet ihr auch ein Mann mit einem achtjährigen Mädchen an der Hand. Die Kleine trägt einen Schul-Rucksack auf dem Rücken. Sie weint!
Sarah blickt den beiden unschlüssig hinterher. Sind das wirklich Vater und Tochter? Irgendetwas passt da nicht: Der Mann hält das Kind am Handgelenk und zieht es quasi hinter sich her. Sarah Jacobi zögert zunächst, entscheidet sich dann aber doch zu handeln. «Ich dachte, dass ich da nichts zu verlieren habe. Wenn er der Vater ist, wird er vielleicht verstehen oder sogar dankbar sein, dass sich jemand kümmert. Und wenn nicht, dann muss es jetzt schnell gehen.»
«Ich bin vom Gesundheitsamt»
Sarah Jacobi ruft dem Mann hinterher, fordert ihn auf stehen zu bleiben. Der Mann reagiert nicht auf ihre Rufe, geht zügig weiter. Sarah Jacobi legt einen Schritt zu und folgt den beiden. Sie ruft erneut hinter ihnen her. Dabei versucht sie, mehr Strenge in ihre Stimme zu geben. Der Mann reagiert immer noch nicht. Sarah ist dem Mann dicht auf den Fersen. Schließlich bleibt er doch stehen. Er dreht sich zu ihr um, die Hand des Kindes immer noch fest umklammert. Dann lässt er das Mädchen plötzlich los, geht direkt auf Sarah zu. «Ich hab‘ sofort auf seine Hände geschaut: ob er eine Waffe hat – ein Messer vielleicht. Aber da war zum Glück nichts», erinnert sich Sarah Jacobi.
Der Mann stammelt, er sei vom Gesundheitsamt und müsse das Kind irgendwohin mitnehmen. Sarah Jacobi glaubt ihm kein Wort und spricht das Mädchen an: «Kennst Du den Mann? Willst Du mit ihm gehen?» Bei beiden Fragen schüttelt das verschüchterte Kind den Kopf. Sarah Jacobi ergreift die Gelegenheit und zieht das Mädchen zu sich. Der Täter flüchtet.
Kind gerettet, dem Täter auf der Spur
«Ich habe mich daraufhin lautstark bemerkbar gemacht und Passanten aufgefordert, die Polizei zu informieren. Die war dann auch schnell da. Außerdem ist einer von denen dem Täter gefolgt.» Doch der Täter schafft es, den Verfolger in einer der Seitenstraßen abzuschütteln. Nachdem Sarah Jacobi den Polizisten eine Beschreibung des Täters gegeben hat, wird dieser mithilfe von Anwohnern aus der Nachbarschaft in seiner Wohnung ausfindig gemacht und festgenommen.
Der Mann kommt wegen der versuchten Entführung und eines möglichen geplanten Missbrauchs vor Gericht. Er hatte einen Rucksack mit Sexspielzeug und Fesselutensilien dabei. Das Gericht stellt seine verminderte Schuldfähigkeit fest. Er wird zu einem Jahr und drei Monaten verurteilt, die er in der Psychiatrie verbringen muss.
Die XY-Preis-Jury meint:
«Durch ihre besonders sensible Beobachtungsgabe gelang es Sarah Jacobi, in einer kurzen Momentaufnahme die richtigen Schlüsse zu ziehen. Obwohl Sie sich selbst in einer Stress-Situation befand, hinterfragte sie die ungewöhnliche Situation kritisch. Dadurch rettete sie ein Mädchen vor einem schrecklichen Verbrechen. Zudem konnte Frau Jacobi eine genaue Täterbeschreibung abgeben, die zur Festnahme und zur Verurteilung des Täters führte.
Die Jury zollt Sarah Jacobi ihre höchste Anerkennung für ihr besonnenes Handeln und damit das Retten eines Kindes vor einem vermutlich schweren sexuellen Übergriff.»
Foto: Securitel / ZDF
24.11.22 wel